Mir macht es große Freude, Ressourcen für andere einzusetzen. Wo immer man mich hinschickt: ich merke, als Jesuiten haben wir sehr viele Möglichkeiten. Wir verfügen über eine ziemlich gute Ausbildung, viele Menschen arbeiten mit uns, und die meisten von uns haben ein Netzwerk, auf das sie sich verlassen können. Obwohl manche von uns die vielen Institutionen des Ordens skeptisch sehen: sie geben uns Möglichkeiten, die wir als Einzelne nie hätten.

Als Delegat für Bildungs- und Exerzitienhäuser habe ich viel mit Institutionen zu tun. Die Leitung von Einrichtungen ist für die Verantwortlichen eine Herausforderung: inhaltliche Planungen, Personalfragen, die finanzielle Vorsorge. Dazu kommen unerwartete Situationen, die plötzlich die ganze Aufmerksamkeit erfordern.

 

Für wen machen wir das alles?

Unsere Werke und Einrichtungen sind „Institutionen für andere“. Es geht um die Menschen, für die wir da sind. Und für uns sind das die Menschen, die Jesus wichtig sind, insbesondere die Armen, Leidenden, Verachteten und Schwachen.

Ob wir nun in einer Kommunität leben (auch eine „Institution“ 😊), in einem Werk mitarbeiten oder als Einzelpöstler unterwegs sind: überall haben wir Spielräume, in denen wir uns für andere Menschen einsetzen können. Ich denke an die Obdachlosen an der Pforte, an die älteren Frauen in der Werktagsmesse, an bedrückte Menschen im Beichtzimmer, an ukrainische Flüchtlinge auf der Suche nach einer Unterkunft, an einen älteren Mann im Gefängnis.

Natürlich sind wir auch für die Starken da, für Multiplikator/innen, die in die Gesellschaft hineinwirken und so Mentalitäten zum Guten hin prägen. Gerade Bildung ist in hohem Maß diakonisches Handeln: für junge Menschen und für Erwachsene. Das gilt für den Regelbetrieb und für die Spezial-Projekte wie Sprachkurse für geflüchtete Menschen. Und ebenso ist es mit Exerzitien. Sie bringen viele Menschen wieder in die Rufweite Jesu und vermitteln Zuversicht und Gottvertrauen.

Und weil wir immer mehr mit anderen Einrichtungen kooperieren und Projekte gemeinsam durchführen, geht es auch um „Institutionen mit anderen“. Das Arbeiten in Netzwerken nimmt zu, auch wenn man gerade da darauf achten muss, den internen Koordinationsaufwand im Rahmen zu halten.

Institutionen sind nicht für sich selbst da. Das ist keine triviale Aussage. Denn Institutionen neigen dazu, sich mit der Zeit mehr und mehr mit sich selbst zu beschäftigen (vgl. Parkinsons Gesetze).

 

Wir brauchen eine starke Kirche für die Schwachen.

Das wird mir immer klarer. Und: Wir brauchen einen starken Jesuitenorden, besonders für Menschen in schwierigen Situationen. Darum ist mir wichtig, dass unsere Institutionen zeitgemäß organisiert sind. Da geht es also nicht nur um Arbeit in der Organisation, sondern um Arbeit an der Organisation.

Ein hilfreicher Zugang ist die Frage nach der Integrität der Institution. Tun wir wirklich, was wir versprechen? Damit wir auch als Institutionen in Kirche und Orden integer bleiben, braucht es immer wieder ein organisatorisches Update: Aufgaben sind neu zu ordnen, Budgetfragen sind zu klären, der nächste Leitungs-Übergang ist vorzubereiten.

 

Lebendigkeit statt Status quo

Manchmal mache ich Trainings für Führungskräfte, z. B. für Krankenhäuser. Eine der ersten Übungen ist der Blick auf die Gründung der Institution. Was war die Intention der Gründerin oder des Gründers? „Entstehungsgeschichten sind Sinngeschichten.“ (Jörg Lauster). Auch darum ist bei uns im Jesuitenorden die Ordensgeschichte wichtig. Was war das ursprüngliche Anliegen von Ignatius und seiner Gefährten? Was steht in der Formula Instituti? Wir müssen dieses Ideal des Ignatius lebendig halten, sonst werden wir nur noch funktionieren. Dann werden am Schluss alle Entscheidungen ausschließlich nach ökonomischen Kriterien getroffen.

Die Erhaltung des Status quo in unseren Einrichtungen ist mir zu wenig. Das motiviert mich nicht, meine Lebenszeit einzusetzen. Wenn wir für die Menschen mit ihren Themen heute hilfreich sein wollen, dann braucht es den Willen zur Erneuerung: Neue Themen, neue Vorhaben, neue Formate. „Innovation“ klingt nach Management, vielleicht ist „Lebendigkeit“ passender.

Etwas mehr von der Dynamik des 30-jährigen Jesus darf man jedenfalls auch bei uns im Orden spüren. Wer es gemütlich haben möchte als Christ und Jesuit, hat vielleicht etwas falsch verstanden.

In der neuen Provinz Europa Centralis haben wir viele wirklich gute Institutionen. Aber das ist kein Grund, zufrieden zu sein. Wir brauchen die produktive Unzufriedenheit. Georg Christoph Lichtenberg wird dazu ein treffendes Wort zugeschrieben: „Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“

 

Veröffentlicht als Editorial in „Jesuiten-intern“ – September 2022.