Abteikirche Mehrerau, Bregenz – Ritterorden vom Hl. Grab zu Jerusalem
Mt 11,25-30 (1 Joh 1,5-2,2) – Hl. Katharina von Siena

Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.

Ist das nicht eine wunderbare Einladung Jesu, jetzt, an uns alle?

Drei Punkte dazu, wie Sie es von einem Jesuiten erwarten dürfen.

 

1.

Wir leben gerade in einem Epochenwechsel.

Die Zeit des Friedens ist vorbei. Der Krieg ist wieder da.

Ich habe ihn als Rotkreuz-Mann in Kroatien und Bosnien erlebt.

Viele Menschen bei uns haben keine Vorstellung von Krieg. Sie sehen Fernsehbilder aus Kiew – und meinen, dass es sie nicht betrifft.

Manche bei uns merken aber, dass es einen fundamentalen Wandel gibt. Er hat schon begonnen.

Es wird nicht mehr so werden wie vor dem 24. Februar 2022. Vieles wackelt, auch in Österreich. Vieles bekommt Risse, vieles wird vollständig zerstört – durch Bomben und Raketen.

Diese Wirklichkeit an uns heranzulassen: Das möchten wir eigentlich nicht.

 

2.

Jeder, der einmal ein Haus gebaut hat, der kennt die Fragen um das Fundament.

Wie tief soll man graben? Wie sichern wir uns gegen das Grundwasser ab? Wie stabil muss das Fundament sein, damit es das ganze Haus tragen kann?

Man klärt diese Fragen, beginnt zu bauen – und dann sieht man für einige Wochen das Fundament.

Danach beginnt man mit dem Erdgeschoss und den Obergeschossen – und das Fundament verschwindet. Es wird zugeschüttet, man sieht es nicht mehr. Mit dem Fundament beschäftigt man sich erst wieder, wenn es einen Riss in der Hauswand oder in der Wohnung gibt.

In genau dieser Situation sind wir jetzt. Es gibt einen sichtbaren Riss in Europa. Er war schon länger da, spätestens seit der Annexion der Krim im Jahr 2014.

Weil es den Riss gibt, schauen wir auf unser Fundament. Was sind die unsichtbaren Grundlagen unserer Art zu leben, hier in Europa?

Unser Fundament hat stark mit drei Städten zu tun: Mit Jerusalem, mit Athen und mit Rom.

Jerusalem ist den Damen und Rittern vom Heiligen Grab ganz nahe.

Jerusalem ist die Stadt Davids, mit ihr verbinden wir die große Tradition des Judentums, die Psalmen, die Hebräische Bibel.

Mit Jerusalem verbinden wir als Christen das Leben Jesu. Dort hat er gebetet, gelehrt und geheilt. Dort wurde er getötet, dort ist er auferstanden.

Jerusalem prägt uns bis heute, in unserer Identität und in unserem Blick auf die Welt.

Athen verdanken wir die Grundlagen demokratischer Staatsordnung. Platon, Aristoteles und Sokrates studieren wir bis heute. Sie prägen unsere Denkkategorien, obwohl wir das oft gar nicht mehr wissen.

Rom schließlich ist bis heute präsent in der Struktur unseres Rechtssystems. Das römische Recht prägt unsere Vorstellung von Recht und Gerechtigkeit. Auch die Art und Weise, wie wir unseren Staat organisieren, hat viel mit Rom zu tun.

Jerusalem, Athen, Rom:

Wir leben bis heute von den Inspirationen von dort. Das Fundament unserer Lebensweise kann man sich ohne diese Städte nicht vorstellen.

Jetzt, wo es Risse gibt, muss man dieses Fundament neu anschauen – und sich auch neu aneignen. Eine freie, demokratische Grundordnung ist nicht einfach so gegeben. Sie wurde erarbeitet und erkämpft – und wir müssen sie heute verteidigen gegen ihre Feinde.

Ich bin es selbst nicht gewohnt, in einem Freund-Feind-Schema zu denken. Aber jetzt braucht es klare Sprache, damit nicht die Feinde der offenen Gesellschaft unsere Freiheit in Europa zerstören, und dazu zählt auch die Religionsfreiheit.

Europa hat eine Schutzpatronin: Die hl. Katharina von Siena.

Als junge Ordensfrau hat sie sich stark in kirchliche Angelegenheiten involviert. Sie lebte von 1347 – 1380, in einer Zeit, als das Abendländische Schisma begann. Zuerst zwei Päpste, einer in Avignon, ein anderer in Rom, dann noch einer in Pisa. Erst 1417 wurde das geklärt, hier in der Nähe, beim Konzil von Konstanz, mit der Wahl von Papst Martin V.

Wir hatten also in Europa schon sehr unruhige Zeiten.

In so einer Situation, wenn alles wackelt, was ist da noch stabil?

 

3.

Stabilität gibt der Blick auf die Person Jesu.

Wie lebt er? Wie denkt er? Was ist ihm wichtig?

In sein Denken, sein Fühlen und Handeln wollen wir hineinkommen. Zumindest ein Stück weit.

Dazu lädt er uns ein.

Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.

Amen.