Jesuiten:
Wer erhält das Geld aus den explodierenden Energiepreisen?

Jetzt Energie sparen wo es nur geht.
Und zugleich über eine bessere EVU-Struktur nachdenken.

 

Wer erhält das Geld aus den explodierenden Energiepreisen? Und was geschieht damit? Diese Fragen tauchen auf, wenn man für konkrete Budgets verantwortlich ist. In meinem Fall geht es um das Jesuitenkolleg Innsbruck, an dem budgetär zahlreiche Einrichtungen hängen: u.a. eine stark frequentierte Kirche, ein Jugendzentrum, ein Student/innen-Heim und ein Theologisches Kolleg. Für 2022 rechnen wir mit 50.000 € Stromkosten, für 2023 mit 200.000 €. Von der Stromkosten-Bremse für Haushalte spüren wir nichts, obwohl wir 75 Bewohner im Haus sind.

Ich weiß, dass es vielen kirchlichen Einrichtungen gleich geht: Caritas-Einrichtungen, Altenheimen, Pfarren, Bildungshäusern.

Der Tiroler Energieversorger TIWAG schreibt auf seiner Homepage: „Wir versorgen unsere Kundinnen und Kunden mit Strom aus 100 % erneuerbaren Energiequellen.“

Die Produktionskosten für Wasserkraft und andere erneuerbare Energiequellen sind nicht gestiegen, und viele Kraftwerke sind längst abgeschrieben. Warum steigen dann die Verkaufspreise?

Die grobe Antwort ist folgende: Bis 2000 war der österreichische Strommarkt staatlich stark reguliert. Mit 1. Oktober 2001 erfolgte die Liberalisierung: Strom wurde ein Produkt, das von privaten Firmen gehandelt wird. Die Energie-Versorgungs-Unternehmen (EVU) wurden zu individuellen Markt-Teilnehmern, die nun vor allem ihr Unternehmensziel verfolgten. Sie optimierten ihre Betriebe und lieferten Erträge an die großteils öffentlichen Eigentümer, und damit in die Bundes- und Landesbudgets. Die Gründungsidee der regionalen Daseinsversorgung trat in den Hintergrund.

Zu einem Teil ist die Liberalisierung gelungen: Strom war relativ zu anderen Energieträgern billig. Zum größeren Teil ist die Liberalisierung aber misslungen:

  • Notwendige Infrastruktur-Investitionen hat man unterlassen.
  • Private Anbieter geben jetzt, in schwierigen Zeiten, auf. Kund/innen kehren zu den EVUs im öffentlichen Eigentum zurück – und diese müssen nun Strom teuer einkaufen.
  • Die Regulierungs-Bürokratie im Stromsektor ist stark gestiegen. Damit sind Stromrechnungen für Kund/innen viel zu kompliziert geworden.

Dazu kommen unvorhersehbare Faktoren. 2022 war ein sehr schlechtes Wasserjahr. Frankreichs Kraftwerke sind reparaturbedürftig – und damit wurde Frankreich vom Export- zum Importland. Und schließlich: der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.

Ein großer Teil des Stroms in Europa wird immer noch aus Gas produziert. Man braucht zwei Teile Gas, um einen Teil Strom zu produzieren (d.h. aus zwei GWh Gas wird eine GWh Strom). Österreich, auch Tirol, muss Strom zukaufen. Gas wurde seit Ende der 1960er Jahre aus Russland billig importiert, daraus wurde Strom und Wärme produziert, und so hat man sich in Europa abhängig gemacht. Österreich ganz besonders. Eine Streuung der Lieferanten von Gas hat man unterlassen. Die bereits erreichte Diversifizierung der OMV wurde bewusst zurückgefahren.

Nun wird Gas aus Russland knapp, der Gaspreis steigt – und damit der Preis für den Strom, den man zukaufen muss. Darum steigen bei uns die Strompreise, zusammen mit den anderen Gründen, die oben dargestellt sind. Dass damit auch die Gewinne mancher EVUs sowie die Steuereinnahmen des Bundes steigen, gehört auch zum Gesamtbild.

Wenn wir nun sechs bis neun Monate voraus denken, dann müssen wir mit gesellschaftlichen Problemen rechnen. Viele Haushalte, Unternehmen und NPOs werden Einnahmen und Ausgaben nicht mehr zusammenbringen, v.a.

  • wegen der extrem steigenden Energiekosten,
  • aufgrund der vielen Kreditverträge mit variablen Verzinsungen sowie
  • der sehr hohen Inflation.

 

Ich glaube deshalb, dass folgende Punkte wichtig sind:

  1. Energie sparen, wo es nur geht.

Als Einzelne und als Verantwortliche in Unternehmen und Institutionen sollten wir sehr systematisch nach Möglichkeiten zum Energie-Sparen suchen.

Konkrete Stichworte:

  • Wassersparende Duschköpfe.
  • Senkung der Raumtemperatur.
  • Erneuerung/Abdichtung der Fenster.

Der größere Horizont heißt:

  • Einfacher Lebensstil.
  • Intelligente Reduktion.
  • Entwicklung neuer Technologien.

 

  1. Kompensation von Energiekosten, auch für NPOs.

Es braucht einen staatlichen NPO-Fonds „Energie“ zur Kompensation der steigenden Energiekosten, zumindest für jenen Teil, der nicht eingespart werden kann. Dieser Fonds muss Caritas-Einrichtungen ebenso zugänglich sein wie Pfarren, Ordenshäusern, Bildungshäusern, Behinderten- und Altenheimen sowie Sport- und Kulturvereinen.

Mir ist wichtig, dass auch Körperschaften öffentlichen Rechts die Möglichkeit haben, Anträge zu stellen – sonst werden wir Jesuiten ganz herausfallen.

Subventionen können aber nur temporär eine Lösung sein. Subventionen haben immer den Charakter von Gnadenakten: Man muss ansuchen, und dann werden sie gewährt.

Darum muss grundsätzlicher über die rechtliche Struktur der EVUs, ihren primären Auftrag sowie über die Preisgestaltung für Endabnehmer/innen bei Energie nachgedacht werden. Stichworte: Zufallsgewinne. Merit-Order-Regelung. Entkopplung zumindest eines Teils des Strom- und Gaspreises. Andere Formen der Besteuerung.

Marktwirtschaftlich richtig wäre, dass EVUs ihren Kund/innen direkt etwas zurückgeben, was aktien- und gesellschaftsrechtlich auch möglich ist. Geschieht dies nicht, muss das Marktdesign fundamental neu gedacht werden – auch mit der Möglichkeit zur Rückkehr in die Zeit vor Oktober 2001.

 

  1. Photovoltaik auf die Kirchendächer!

Photovoltaik bedeutet Strom aus Sonnenstrahlen. Das senkt unmittelbar die Stromrechnung, wenn man für den Eigenverbrauch produziert. Photovoltaik ist ökologisch geboten (weil erneuerbar), ökonomisch sehr sinnvoll (rasche Amortisation der Investition) und politisch klug (weniger Geld an kriegführende Öl- und Gas-Produzenten).

In Österreich haben wir hier viel verschlafen – und müssen aufholen. Der Anteil an PV-Anlagen ist zu gering. Jedem Häuslbauer wird die Kanalisation vorgeschrieben – warum nicht auch eine PV-Anlage?

Der Denkmalschutz ist in Österreich sehr gut aufgestellt. Bei der Photovoltaik aber muss sich das Bundesdenkmalamt bewegen. Die Vorstellung, dass auf Kirchendächern prinzipiell keine PV-Anlagen sein sollen, ist heute absurd. Spätestens nach der Enzyklika Laudato Si‘ von Papst Franziskus (Mai 2015) ist diese Vorschrift seitens der Kirche nicht mehr akzeptabel. Gerade auf Kirchendächer gehören PV-Anlagen!

Weil mit PV-Anlagen alleine der steigende Strombedarf (z. B. im Bereich Mobilität) nicht abgedeckt werden kann, wird es weiter den Bau von Kraftwerken und Speichern brauchen.

 

  1. Daseinsvorsorge für die Menschen ist die primäre Aufgabe von EVUs.

Energieversorgungsunternehmen (EVU) sind in Österreich nicht mehr vollständig im öffentlichen Eigentum. Aus der Gründungsgeschichte ergibt sich bei den meisten EVUs jedoch die Daseinsvorsorge der Bevölkerung als ursprüngliches Anliegen. Auch wenn sich viele EVUs nun als Kapitalgesellschaften organisiert haben: Das Ursprungs-Anliegen darf nicht verloren gehen. Hier sollte man neue gesetzliche Regelungen ausarbeiten, die den Versorgungsauftrag stärker als bisher verankern.

Ich weiß, dass sich Aktiengesellschaften an das Aktiengesetz halten müssen. Es ist jedoch Sache der Eigentümer, grundsätzliche Fragen zu klären – letztlich auch, ob die derzeitigen Rechtsformen von EVUs weiterhin sinnvoll sind, um den Ursprungsauftrag zu erfüllen. Die Preisfestlegung für Energie muss jedenfalls nach besseren Regeln als bisher erfolgen. Es reicht nicht, nur den Status quo zu verteidigen.

Immer wieder wird auch darauf verwiesen, dass es sich hier um EU-Regeln handelt. Wenn solche Regeln nicht mehr hilfreich sind, dann muss man sie ändern. Niemand behauptet, dass das einfach ist. Aber wenn es gar nicht geht, dann dürfen wir uns nicht wundern, dass die EU von Teilen der Bevölkerung abgelehnt wird.

Warum gibt es beispielsweise keine gemeinsame europäische Beschaffung von Gas und Öl? Wenn einzelne EVUs das entscheiden, dann richten sie sich nach den individuellen Unternehmenszielen. So kann die europäische Abhängigkeit von einzelnen Gaslieferanten nicht gesteuert werden.

Politische Entscheidungsträger/innen müssen das Ganze im Blick haben und eine Perspektive aufzeigen. „Da kann man nichts machen.“ ist keine akzeptable politische Antwort.

  

  1. Bessere Kommunikation der EVUs

Die Homepages großer EVUs (Verbund, TIWAG, …) sind zwar hoch professionell gemacht, geben aber zu wesentlichen Fragen keine Auskunft: Wie kommt der Strompreis zustande? Wer erhält die sehr hohen Mehr-Erträge? Und was geschieht mit diesem Geld? Konkrete Information dazu ist notwendig. Sonst wird die große Umverteilung von Geld, die derzeit stattfindet, zu stark sinkendem Vertrauen in EVUs führen.

 

  1. Bitte mehr kirchliches Engagement!

Wir brauchen eine starke Kirche für die Schwachen. Dafür erwarte ich mir als Jesuit in der Energiekosten-Frage einen deutlich stärkeren Einsatz der Verantwortlichen in den Diözesen und in den Orden. Auch die Theologischen Fakultäten sollten ihre Spielräume hier stärker als bisher nützen.

Wir müssen die politisch Verantwortlichen drängen, sich in der Energiekosten-Frage für die einzusetzen, die keine Lobby haben – das ist, von Jesus her gesehen, die primäre Zielgruppe unserer Institutionen. Sonst braucht es uns als Kirche nicht.

Also: Wer erhält das Geld aus den explodierenden Energiepreisen? Zu einem großen Teil wohl die Gas- und Öl-Lieferanten. Und was geschieht damit? – Russland finanziert den Krieg in der Ukraine, auch mit unserem Geld.