Stefan Kiechle SJ hat in den „Stimmen der Zeit“ [1] die Armutspraxis von Kirche und Orden angesprochen, fokussiert auf die biblischen Wurzeln und das Beispiel der Ordensleute mit ihrem Armutsgelübde. Ich möchte eine weitere Perspektive hinzufügen, nämlich den Blick auf das konkrete wirtschaftliche Handeln von Ordensgemeinschaften [2]. 

Die Glaubwürdigkeit des Armutsideals hängt nicht nur am einfachen Lebensstil einzelner Menschen, die Jesus nachfolgen wollen. Das Armutsideal des Evangeliums muss auch in den Institutionen der Orden zum Ausdruck kommen: durch den sparsamen, wirksamen und nachhaltigen Einsatz der Ressourcen, die uns anvertraut sind.

  

I. Ziel und Mittel gut unterscheiden.

Zuerst ein kurzer Blick auf Unternehmen. Sie sind in ihrem wirtschaftlichen Handeln auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Auch wenn sich Eigentümer/innen der Katholischen Soziallehre und dem Gemeinwohl verpflichtet wissen, auch wenn es Corporate Social Responsibilty Projekte gibt: der wirtschaftliche Erfolg ist für Unternehmen ein Ziel in sich. Er ist das wichtigste Kriterium für effizientes unternehmerisches Handeln und für die Markttauglichkeit von Produkten und Dienstleistungen. Gewinne ermöglichen Investitionen und sichern so das Überleben des Unternehmens. Der finanzielle Erfolg ist das wichtigste Kriterium für Entscheidungen im Unternehmen – und das ist allen Beteiligten bewusst. 

In den Orden und ihren Institutionen gibt es dieses klare Kriterium des finanziellen Erfolgs nicht. Es wird zwar auch dort erwartet, dass gut gewirtschaftet wird. Aber wirtschaftliches Handeln ist nicht Ziel unserer Einrichtungen; es ist nur ein Mittel, um die Ziele, die sich aus dem Evangelium ergeben, zu verfolgen. 

Auf der Ebene der Ziele verfügen wir über eine reiche Tradition an Interpretationen der biblischen Ideale. Dabei denke ich nicht nur an spirituelle und theologische Literatur, sondern vor allem an geistliche Menschen, die Jesus nachgefolgt sind und auch heute nachfolgen. Es ist wichtig, dass die geistlichen Fundamente für diese Nachfolge Jesu immer wieder neu gelegt werden.

Geschieht dies nicht, wird sich das rein ökonomische Denken durchsetzen. „Soll und Haben“ sind stark, verständlich und überzeugend. Die Ökonomie wird überall dominieren, wo nicht andere, stärkere Motivationen lebendig sind. 

Ordenseinrichtungen – Kirchen und Pfarren, Kindergärten, Jugendzentren, Schulen, Exerzitienhäuser, Krankenhäuser, Behinderteneinrichtungen – haben wirtschaftliches Handeln nicht als Ziel. Es ist ein wesentliches und wichtiges Mittel jeder Einrichtung, aber eben nicht mehr. Das macht unsere Institutionen auch attraktiv: Hier möchten Menschen mitwirken, weil sie zusammen mit anderen ihre Ideale leben können.

Ordensgemeinschaften bestehen oft mehrere hundert Jahre, ohne dass sie ein ökonomisches Ziel verfolgen. Es gibt sehr wenige Unternehmen, die so lange existieren. Darum interessieren sich Führungskräfte aus der Wirtschaft dafür, wie das eigentlich geht: Überleben über Jahrhunderte – als Organisation und in der Lebensform der Ordensleute?

 

II. Wo wirtschaftliches Handeln in Orden besser werden sollte.

Ordensgemeinschaften und ihre Einrichtungen können – und sollen – auch von Unternehmen lernen, insbesondere die Anwendung wirtschaftlicher Instrumente, immer als Mittel eingesetzt und nicht als letztes Ziel. In den folgenden neun Punkten stelle ich ein paar konkrete Handlungsfelder dar.

Ausgangspunkt ist die Armutspraxis in den Orden. Im sogenannten Armutsrecht von Ordensgemeinschaften werden die wirtschaftlichen Fragen für den Einzelnen und die Gemeinschaften verhandelt. Dort wird versucht, die Nachfolge Jesu für die je eigene Wirklichkeit auszubuchstabieren.

 

  1. Vom moralischen Appell zur Wahrnehmung der großen ökonomischen Fragen.

Appelle in Orden zum Überdenken der eigenen Armutspraxis erlebe ich manchmal mit einem moralisierenden Unterton, fokussiert auf die einzelnen Ordensmitglieder und lokalen Gemeinschaften. Die größeren wirtschaftlichen Fragen kommen so kaum in den Blick.

Für die Zukunft ist wichtig, dass der betriebswirtschaftliche Bereich in einigen Ordenseinrichtungen besser geordnet wird als bisher. Das transparente Berichtswesen über die finanzielle Situation ist nur ein Beispiel dafür. Der nachhaltige Umgang mit den Ressourcen (Zeit, Beziehungen, Infrastruktur, Geld, …) kann besser werden. Es lohnt sich, unter dieser Rücksicht die Enzyklika „Laudato si‘“ von Papst Franziskus wieder zur lesen [3].       

  1. Von der Verschwendung zum sinnvollen Ressourcen-Einsatz.

Ich kenne eine Reihe von Beispielen, wo Ressourcen in Orden nicht optimal eingesetzt werden. Dabei geht es selten um die persönlichen Ausgaben von Einzelnen. Häufiger geht es um Einnahmen, die nicht generiert werden (z. B. keine Nutzung leerstehender Räume; kein Fundraising) sowie um überhöhte Ausgaben  (z. B. bei Bauprojekten). 

Die zeitlichen Güter sind uns anvertraut, um sie für andere einzusetzen – und erst dann auch für uns selbst. Es gibt viele wichtige Vorhaben für andere Menschen, die unsere Unterstützung brauchen, auch finanziell. Darum sollte die wirtschaftliche Ordnung in den Orden an einigen Stellen besser und nachhaltiger werden. 

  1. Vom Blindflug zum Überblick.

Ich staune, dass Verantwortliche in Ordenseinrichtungen über die verfügbaren Ressourcen manchmal nicht Bescheid wissen. Manche sind im ökonomischen Blindflug unterwegs – die Diözese oder die Ordensleitung wird bei einem Defizit schon einspringen.

Ordensober/innen und Werksleiter/innen brauchen einen guten Überblick über die Ressourcen, einen Plan zum Einsatz dieser Ressourcen (operativer Jahresplan mit Budget; Investitionsplan) und eine transparente Abrechnung (Wirkungsbericht und Jahresabschluss).

  1. Von einsamen Einzelentscheidungen zu abgestimmtem Vorgehen.

In Ordensgemeinschaften können Einzelpersonen große wirtschaftliche Entscheidungen treffen. Das ermöglicht schnelles Handeln, führt aber auch zu großen Fehlentscheidungen. Die Entscheidungsfreiheit Einzelner ist in vielen Fällen einfach zu groß [4].

Größere Entscheidungen mit wirtschaftlichen Auswirkungen sollten breiter als derzeit besprochen und beschlossen werden. Es braucht Wertgrenzen für die Entscheidungskompetenz einzelner Amtsträger. Die sogenannte „Rom-Grenze“ [5] braucht es als Wertgrenze auch auf lokaler und regionaler Ebene, zusammen mit dem Vier-Augen-Prinzip bei täglichen Finanztransaktionen.

  1. Von überforderten Amtsträgern zu kompetenten Mitarbeiter/innen.

Leitungsämter in Orden sind häufig mit wirtschaftlicher Entscheidungsvollmacht verbunden. Das überfordert Menschen, die keine wirtschaftliche Ausbildung oder Erfahrung haben.

Daher braucht es für Führungskräfte in Ordensgemeinschaften mehr wirtschaftliche Aus- und Fortbildung, immer in Verbindung mit den Anliegen des Evangeliums.

Und es braucht den verstärkten Einsatz wirtschaftlich kompetenter Mitarbeiter/innen. 

  1. Von der internen zur externen Kontrolle.

Es gibt in manchen Ordensgemeinschaften noch keine ausreichende Kultur der externen wirtschaftlichen Kontrolle. Man setzt immer noch vorwiegend auf interne Revisoren.

Für einen dem Evangelium entsprechenden Umgang mit den anvertrauten Ressourcen brauchen wir mehr externe Kontrolle, konkret: Prüfungen der Jahresabschlüsse durch externe Wirtschaftsprüfer. Das wird es auch brauchen, um einzelne Bereiche organisatorisch, rechtlich und wirtschaftlich neu zu ordnen. 

  1. Von der Kleinlichkeit zu Großzügigkeit und Proportion.

Manchmal erfahre ich von Ordensleuten, wie sie von ihren Oberen in Geldsachen kleinlich behandelt wurden. Zugleich weiß ich, dass bei großen Vorhaben erhebliche Summen verloren wurden. Wir haben also vermutlich ein Problem mit der Wahrnehmung von Proportionen.

Großzügigkeit und ein Gespür für Proportionen: das braucht bewusste Arbeit an unserer internen Kultur. Die transparente Darstellung von Einnahmen und Ausgaben sowie des Vermögens ist für Ordensgemeinschaften ein wichtiger Schritt zur Kulturentwicklung. Dabei wird auch deutlich, welche Verantwortung Institutionen haben, beispielsweise für die finanzielle Vorsorge für ältere Ordensangehörige. 

  1. Von überzogenen Erwartungen zum eigenen Beitrag durch Arbeit.

Gelegentlich nehme ich wahr, dass Ordensleute mit einer gewissen Selbstverständlichkeit interne Leistungen konsumieren (Wohnraum, Verpflegung, Gesundheitsvorsorge, Mobilität, …). Auch Einnahmen aus staatlichen oder kirchlichen Gehältern werden manchmal als ganz eigener Verdienst angesehen.

Darum ist es für Ordensleute hilfreich zu überlegen, wo sie selbst durch ihre Arbeit einen Beitrag zum Gemeinschaftsleben leisten. Und: Könnte ich meinen Lebensunterhalt auch erarbeiten, wenn ich nicht vom Orden, von Kirchensteuern [6] oder einer staatlichen Stelle finanziert würde? 

  1. Vom glücklichen Nicht-Wissen zum nachhaltigen Wirtschaften.

Wirtschaftlich erfolgreiches Handeln ist kein primäres Ziel für Ordensgemeinschaften. Wir müssen keine Gewinne für Eigentümer erwirtschaften. Dies wirkt sich aber manchmal so aus, dass ökonomische Fragen überhaupt nicht in den Blick kommen – oder erst viel zu spät. 

Es braucht bei apostolischen Vorhaben und bei Projekten in Ordensgemeinschaften ein Basisinteresse an den wirtschaftlichen Dimensionen. Damit werden neue Vorhaben realistisch geplant und so auf lange Sicht überhaupt erst ermöglicht.

So können wir als Ordensleute auch im wirtschaftlichen Bereich nachhaltig handeln.

 

III. Wofür gut wirtschaften?

Der Einsatz von Ressourcen kann in den Orden verbessert werden. Viele Instrumente und Standards, die in gewinnorientierten Unternehmen entwickelt wurden, sind auch für Ordenseinrichtungen nützlich. Die uns anvertrauten Ressourcen müssen wir so verwalten, dass dies den biblischen Vorgaben entspricht. Was das genau bedeutet, das muss in jeder Generation neu durchdacht werden. Misswirtschaft im Ordenskontext bedeutet auch, den Armen Ressourcen vorzuenthalten.

Die institutionelle Größe der katholischen Orden im deutschsprachigen Raum ermöglicht die Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen und notwendiger Projekte in großem Umfang, auch international. Die Hilfswerke der Orden verfügen über viel Erfahrung und Kompetenz bei konkreter Hilfe und auch im Bereich des anwaltschaftlichen Engagements (Advocacy). 

Bildungseinrichtungen der Orden – Schulen, Hochschulen, Bildungszentren, Institute – können strukturelle Fragen reflektieren. Gerade die Gerechtigkeitsfragen brauchen neben der volkswirtschaftlichen auch eine betriebswirtschaftliche Perspektive. So können wir nicht nur unser eigenes Handeln besser am Evangelium ausrichten, sondern auch über unseren eigenen Kontext hinaus wirksam sein [7]. 

Wenn wir vom Evangelium her denken, dann sind wir nicht Eigentümer der zeitlichen Güter, sondern nur deren Verwalter. Das gilt für alle Getauften, in besonderer Weise aber für Ordensleute, die das Gelübde der Armut abgelegt haben. Die Glaubwürdigkeit dieses Gelübdes steht und fällt mit dem einfachen Lebensstil der einzelnen Ordensleute. Aber das reicht nicht aus. Es geht beim Armutsgelübde auch um den sparsamen, wirksamen und nachhaltigen Einsatz von Ressourcen, die uns in den Orden und ihren Institutionen anvertraut sind. 

 

Veröffentlicht in „Summa 2021“, herausgegeben von den Ordensgemeinschaften Österreich, Wien.

 

[1] Stefan Kiechle: Arme Kirche. In: Stimmen der Zeit, 12/2021, S. 883 – 892.

[2]   Für die kritische Durchsicht dieses Artikels danke ich besonders Andreas Weber, Direktor der Finanzkammer der Diözese Feldkirch, sowie P. Thomas Hollweck SJ, Novizenmeister der Jesuiten in der Zentraleuropäischen Provinz.

[3] Papst Franziskus: Laudato si‘, Enzyklika, 2015.

[4] Vgl. historisch dazu das lesenswerte Kapitel „Armutsideal und ökonomische Aktivitäten“ in: Markus Friedrich: Die Jesuiten. Aufstieg, Niedergang, Neubeginn. Piper, 2016, S. 258 ff.

[5] „Rom-Grenze“: Entscheidungen ab einer gewissen Höhe brauchen die Zustimmung der Ordensleitungen in Rom oder/und des Heiligen Stuhls.

[6] In Österreich: Kirchenbeitrag.

[7] Siehe dazu auch: Uwe Schneidewind: Die Große Transformation. Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels. Piper, 2019, insbesondere S. 314 – 320.